Verteilplan zum Grossbankenvergleich wühlt Gefühle auf

publiziert: Sonntag, 19. Nov 2000 / 09:46 Uhr

New York - Resignation, Sorge und Zorn ist dem Berg von Briefen zu entnehmen, die Holocaust-Überlebende dem New Yorker Richter Edward Korman zum Plan für die Verteilung von 1,25 Milliarden Dollar aus dem Vergleich mit den Schweizer Grossbanken geschrieben haben. Am Montag findet ein Hearing statt.

Mehr als zwei Jahre sind vergangen, seit sich die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse Group mit den jüdischen Sammelklägern in den USA auf die Zahlung von 1,25 Milliarden Dollar für die Erledigung aller Ansprüche geeinigt haben. Noch ist kein Geld an die betagten Überlebenden des Holocaust geflossen. Seit dem 12. September liegt ein Entwurf für die Verteilung vor. Er ist am (morgigen) Montag Gegenstand eines öffentlichen Hearings vor dem US-Bundesbezirksgericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn.

Wie dem Berg von schriftlichen Stellungnahmen zum provisorischen Verteilplan zu entnehmen ist, beklagen sich viele Anspruchsberechtigte darüber, dass die Vergleichssumme zu klein ist und dass das Geld zu spät kommt. Einer von ihnen, der 82-jährige Walter Simoni in Wien, bezeichnete den Grossbankenvergleich als seine letzte Hoffnung, um nicht einmal mehr in einem Meer von Namen unterzugehen. Die Nazis hatten ihn während des Zweiten Weltkriegs zu Zwangsarbeit in einer Fabrik in Polen verurteilt. Alle bisherigen Versuche, eine Entschädigung zu erhalten, seien fehl geschlagen, schrieb Simoni. Der vom New Yorker Richter Korman mit der Ausarbeitung des Verteilplans beauftragte so genannte Special Master Judah Gribetz will aber den Löwenanteil von rund 800 Millionen Dollar jenen Menschen vorbehalten, die ein Konto bei den Schweizer Banken eröffnet hatten, das nach dem Krieg ohne Nachricht blieb. Diese Bevorzugung der Kontoinhaber beziehungsweise deren Erben wird zum Beispiel von Rabbi Chaim Stuber in Brooklyn in Frage gestellt. «Wir sollten uns überlegen, wo die wirklichen Prioritäten liegen», schrieb er dem Richter, und weiter: «Wir hoffen es werden die Bedürftigsten unter den Überlebenden sein.»

«Ich bin alt und krank und ich Suche Gerechtigkeit», schrieb Revekaa Levin aus Ontario in Kanada und bezeichnete den Verteilplan von Gribetz als schrecklich. «Ich kann persönlich keine Ansprüche geltend machen», erklärte Levin, und weiter: «Mein Kampf wird weitergehen, bis ich sterbe.» Ihr Vater und ihre Schwestern waren während des Massakers im Ghetto von Minsk in Weissrussland von den Nazis umgebracht worden; das Goldguthaben der Familie wurden gestohlen. Gribetz hat in seinem Entwurf zwar 100 Millionen Dollar für die Entschädigung von Opfern des Naziraubs vorgesehen, die Erledigung von individuellen Ansprüchen in dieser Kategorie aber als zu aufwendig und zu kompliziert bezeichnet.

In anderen Stellungnahmen wird der Verteilplan aber auch begrüsst, wenn auch mit resignierten Kommentaren. Glen Cove, ein 75-jähriger Anwalt und Auschwitz-Überlebender in New York, bezeichnete den Vorschlag als das Beste, was unter den gegebenen Umständen möglich sei. «Kann ich für drei Jahre in Auschwitz entschädigt werden», schrieb Cove, und weiter: «Niemand kann das (...) aber zumindest handelt es sich um eine Anerkennung, dass den Opfern etwas geschuldet wird.» Die in New York erscheinende «Jewish Week» bezeichnete den Gribetz-Plan als salomonische Lösung, um ein Gleichgewicht zwischen Rechtsgrundsätzen und moralischer Verantwortung zu finden. Die beiden Schweizer Grossbanken sind an der Verteilung der 1,25 Milliarden Dollar nicht mehr beteiligt. Einer der Anwälte, die die Banken im Rechtsstreit mit den jüdischen Sammelklägern vertreten hatten, zog vergangene Woche aber ebenfalls ein bitteres Fazit. Das von Gribetz vorgeschlagene Verfahren für die Erledigung der Ansprüche auf die bei den Schweizer Banken identifizierten Konten werde noch fünf bis zehn Jahre dauern und über 100 Millionen Dollar kosten, befürchtete der Zürcher Rechtsanwalt Flavio Romerio.

(sda)

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